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Am 4. Oktober um zehn Uhr war es wieder so weit: Unsere Gruppe versammelte sich im milden Herbstlicht am Bahnhof Brugg. Von der Windischer Seite her startete unser Ausflug auf den Spuren der Habsburger – zuerst zum Kloster Königsfelden, weiter zum Schloss Habsburg und schliesslich zum Kloster Muri.


Königsfelden – Erinnerung und weibliche Stärke

Das Doppelkloster Königsfelden wurde von Elisabeth von Görz-Tirol, der Witwe des 1308 ermordeten Königs Albrecht I. von Habsburg, am Ort seiner Ermordung bei Windisch gestiftet. Es sollte ein Ort des Gedenkens für die Familie sein – und wurde bald zu einem der bedeutendsten geistlichen Zentren im Aargau.

Kloster Königsfelden
Kloster Königsfelden

Die Geschichte des Klosters ist eng mit zwei Generationen habsburgischer Frauen verbunden: Elisabeth als Stifterin und ihre Tochter Agnes von Ungarn, die Witwe des ungarischen Königs Andreas III.. 1317 übersiedelte Agnes nach Königsfelden. Mit ihrer Mitgift, kluger Verwaltung und geschickter politischer Verhandlungskunst führte sie das Kloster zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte. Sie war nicht nur Gönnerin, sondern auch eine Frau mit Machtinstinkt und diplomatischem Geschick – eine beeindruckende Figur ihrer Zeit.


Chor
Chor

Besonders faszinierend sind die Glasfenster im Chor der Klosterkirche. Zwischen 1320 und 1360 entstanden – also genau in der Zeit, in der Agnes in Königsfelden wirkte – gehören sie zu den bedeutendsten Werken spätmittelalterlicher Glasmalerei. In leuchtenden Farben erzählen sie die Passion Christi, umrahmt von Szenen seiner Geburt und Auferstehung. Daneben begegnen wir Franziskus, Klara und den Aposteln – in einem fein abgestimmten Dialog aus Theologie, Kunst und habsburgischem Selbstverständnis.Die Fenster wirken wie ein mittelalterliches Bilderbuch: jede Szene eine Miniatur aus Glas, jede Farbe ein Bekenntnis im Reich des Glaubens.

Schloss Habsburg – Ruine, Rundflug und Jägerstube

Schloss Habsburg im milden Herbstlicht
Schloss Habsburg im milden Herbstlicht

Von Windisch fuhren wir weiter zur Habsburg, dem Stammsitz der Habsburger Dynastie, von wo aus sie einst ihr Weltreich begründete. Zuerst stiegen wir zu den Ruinen des Vorderbaus hinauf – heute sind nur noch Teile des hinteren Baus erhalten, doch die Mauern erzählen genug, um die Vorstellungskraft zu beflügeln.

Habichtsflug
Habichtsflug

Anschliessend erlebten wir einen virtuellen 360-Grad-Rundflug über die Burg um das Jahr 1200. Mit VR-Brillen ausgerüstet, begaben wir uns auf Habichtsflug über die Welt der frühen Habsburger – ein Erlebnis, das bei allen für Staunen und Begeisterung sorgte.


Zum Abschluss stärkten wir uns bei einem feinen Mahl in der Jägerstube des Schlossrestaurants – ohne Aussicht, dafür in gemütlicher Atmosphäre und mit reichlich Gesprächsstoff über das eben Gesehene.

Muri – Architektur mit Humor erklärt

Am Nachmittag führte uns Peter Käch durch die Klosterkirche St. Martin in Muri. Mit viel Witz und Fachwissen erzählte er von der langen Baugeschichte – von den romanischen Fundamenten über gotische Umbauten bis zum barocken Glanz.


Kuppel
Kuppel

Besonders eindrücklich ist das Oktogon, das zwischen 1694 und 1697 in das bestehende romanische Kirchenschiff hineingebaut wurde. Dieser achteckige Zentralraum bildet das Herz eines der grössten Kuppelbauten der Schweiz. Die Verbindung von alten Mauern und barocker Raumfülle fasziniert bis heute.


Peter Käch verstand es, uns die Bedeutung des Gotteshauses und seiner Fresken nahezubringen: Nach den Schrecken des Dreissigjährigen Krieges lebten die Menschen im Freiamt in ärmlichen, russgeschwärzten Hütten. Der Besuch der lichtdurchfluteten, von Weihrauch und Musik erfüllten Kirche war für sie ein Fest für alle Sinne – eine Art „Sonntagsparty des Barockzeitalters“, Die Fresken vermittelten den meist analphabetischen Gläubigen die biblischen Geschichten – anschaulich, leuchtend und tröstlich zugleich.

Ein Tag voller Geschichte und Begegnungen

Von den farbigen Glasfenstern in Königsfelden über den virtuellen Flug über die Habsburg bis zur Kuppel von Muri – dieser Tag stand ganz im Zeichen von Licht, Geschichte und Begegnung.

Unser nächstes Event führt uns – im übertragenen Sinn – weg vom Aargau und von der Schweiz: Wir verlassen sogar Europa und befassen uns mit der Geschichte Kanadas. Am 31. Januar 2026 starten wir unsere kleine Reihe zu Kanada. Nach heutiger Planung findet das Seminar – natürlich – in Windisch, im Zentrum für Bildung, statt.

 
 
 

Es gibt diese Momente, in denen man spürt: Hier geschieht etwas Besonderes. So ging es mir am 17. Mai 2025, als wir uns zum dritten Mal zu einem Kolloquium in Brugg trafen. Besonders ist, dass Menschen aus der ganzen Schweiz anreisen, um sich einen Tag lang vertieft mit geschichtlichen, politischen oder gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.

Drei Mitglieder stellten ihre aktuellen Projekte vor – mit viel Herzblut, einfach aus Interesse und Engagement:


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Christoph führte uns in seinem Vortrag „Das Reduit“ durch die Verteidigungsstrategie der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Dabei zeigte er nicht nur militärische Fakten auf, sondern auch, wie sich um das Reduit Mythen bildeten – und welche Wirkung es bis heute im kollektiven Gedächtnis entfaltet.


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Ursi gewährte uns Einblicke in ihre historische Spurensuche zur Familie Landtwing aus Zug. Anhand archivalischer Quellen zeichnete sie die politische, militärische und gesellschaftliche Bedeutung dieser Familie vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert nach.


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Turi sprach über sein neues Buch „Völkerwanderung 20Plus – Morgen ist zu spät!“. Seine Gedanken zum Klimawandel waren persönlich, dringlich und unbequem – ein

Thema, das unter die Haut geht.




Den Schlusspunkt bildete die von Michael moderierte Diskussion zur Präsidentschaft Donald Trumps. Mit ausgewählten Bildern lenkte er den Blick auf zentrale Aspekte von Trumps Wirkung – innenpolitisch, international, symbolisch. Es entstand eine vielstimmige, lebhafte Debatte, in der wir sehr unterschiedliche Sichtweisen einbringen konnten – kritisch, nachdenklich, streitbar.


Was bleibt? Die Vielfalt der Themen, das grosse Engagement der Vortragenden und die offene Atmosphäre machen das Kolloquium zu etwas Besonderem. Und nicht zuletzt: die gute Gesellschaft, die anregenden Gespräche – und diese seltene Mischung aus Tiefgang und Leichtigkeit, die entsteht, wenn man sich auf Augenhöhe austauscht. Ohne Wettbewerb, ohne Eitelkeit. Einfach, weil es uns interessiert.


Ich freue mich schon jetzt aufs nächste Mal.

 
 
 
  • Anita Oswald
  • 28. März

Aktualisiert: 29. März

Der Bergsturz von Goldau, 02. September 1806


An einem windigen, aber trockenen Nachmittag treffen wir uns am Bahnhof eines Ortes, den es gar nicht gibt. Denn wie uns Erich Ketterer (unser Reiseführer für diesen Tag) schon bald erklärt, ist «Arth-Goldau» eine Eisenbahn-Erfindung. Die Haltestelle der Gotthardbahn fiel auf Goldauer Grund, dem bedeutenderen Arth war aber eine Nennung zugesagt worden. So heisst der Bahnhof Arth-Goldau, obwohl die Ortschaften eigenständig sind. Es gibt Arth, Oberarth und Goldau, die bis heute ihren eigenen Dorfcharakter leben und in liebevoller Neckerei die Nachbarschaft pflegen. Als Lokalhistoriker und Museumskurator ist Erich genau der Richtige, uns in die Eigenheiten der Region einzuweihen.


Mit der Eisenbahn beginnt auch unser Spaziergang durch das Dorf. Wir lernen, dass es früher eine Strassenbahn zwischen Arth und Goldau gab, eine Verbindung vom Zugersee bis zur Bahnstrecke zur Rigi. Die Überreste davon sind heute noch sichtbar, eingebettet ins Dorfbild.

Unsere Gruppe unterwegs Schienen über den Bach


Weiter geht es mit einem Exkurs über die Geschichte der Rigi, der alles überblickende Berg. Dass die Luzerner Seite zuerst erschlossen wurde, konnten die Schwyzer nicht auf sich sitzen lassen. 1875 wurde die Arth-Rigi-Bahn eröffnet. Der Tourismus-Boom auf die Rigi kam in Fahrt. Die Bahnstrecke wurde 1907 elektrifiziert und ist damit die erste elektrische Normalspur-Zahnradbahn der Welt. Das historische Hochperron wurde restauriert und 2017 wiedereröffnet. Auch wir sind vom Jugendstil-Charme des Gebäudes, hoch über den anderen Geleisen, fasziniert.

Hochperron der Rigi-Bahn über den Bahnhof


Mit einem Abstecher zur katholischen Kirche Herz Jesu tauchen wir schliesslich in die Geschichte des Bergsturzes ein. An ihrer Stelle stand schon vor dem Bergsturz eine Kapelle. Gegenüber wurde das erste neue Gebäude nach 1806 erstellt, ein Pfrundhaus mit Kapelle, Schulraum und der Wohnung des Kaplans. Gleich nebenan entstand das nächste wichtige Gebäude, die Wirtschaft Rössli. 1849 kam eine kleine Kirche dazu, die 1906 (genau 100 Jahre nach dem Bergsturz) durch die heutige Kirche ersetzt wurde. Die Kirche ist aus Nagelfluhblöcken gebaut, als Reminiszenz an die Geschichte des Ortes.

Der Rossberg über dem Dorf Pfrundhaus, im Hintergrund die Kirch Herz Jesu


Nun begeben wir uns in den Schutt, ein Naherholungsgebiet, in dem die Überreste des Bergsturzes unberührt sind. Die Natur hat sich die kahlen Steine zurückerobert, Bäume, Sträucher und Moose bedecken grosse Flächen. Doch die Brocken liegen noch so da, wie sie 1806 vom Rossberg gerollt sind. Die Steine aus Nagelfluh bilden in allen Grössen ein Labyrinth aus Höhlen, Schluchten und Gängen. Es juckt uns in den Füssen, zu klettern und Verstecken zu spielen. Aber hier wird uns zum ersten Mal das Ausmass der Zerstörung bewusst. Fast ganz Goldau und umliegende Gebiete wurden 20 bis 30 Meter hoch verschüttet. Alles Leben wurde ausradiert. Es war nur an der Oberfläche möglich, Gegenstände oder Personen zu retten. Alle anderen blieben unter den Steinen begraben. So wandeln wir heute über ihren Knochen. Kurz streift uns ein unheimliches, aber auch ehrfürchtiges Gefühl.

Ein wenig Klettern musste sein


Nach einer Stärkung im neuen Café des Natur- und Tierpark Goldau dürfen wir in die Erlebnishalle Goldauer Bergsturz. Der ganze Eingangsbereich des Parks wurde 2024 neu gebaut, und das bis dahin kleine und versteckte Bergbaumuseum fand einen prominenten Platz. Ein modernes Museumskonzept ermöglicht es, in die Geschichte des Bergsturzes einzutauchen. Auf der obersten Ebene blickt man dem Rotwild ins Gehege und in die Augen. Doch mit jeder weiteren Ebene kommt man dem Jahrhundert-Ereignis Bergsturz näher. In Zeitkapseln sind Artefakte ausgestellt, deren Geschichte mittels eines QR-Codes per Bild, Text und Audio erläutert wird. Dazwischen sind ältere Ausstellungsmodelle integriert, die einen topografischen Blick vorher und nachher erlauben. Auf der untersten Ebene liegt das Kino oder eher der Simulator. Man stellt sich dort auf Platten mit einem Haltegriff. Sobald der Film anfängt, versteht man auch wieso. Es läuft eine Animation in Echtzeit des Filmemachers und Visual Effects Artist Roman Kälin. Ausgehend von den heftigen Regenfällen vorab, erlebt man das Knacken und Reissen der Gesteinsmassen oben am Rossberg hautnah mit. Grollen und Rattern setzen sich fort und sobald die Steine in Bewegung geraten, bewegt sich auch die Bodenplatte. Mittendrin sieht man die Steine über Almen auf die Häuser zurasen. Und steht schliesslich neben dem Dorf, als es von den Massen begraben wird. In nur 3 Minuten, so lange dauerte der Bergsturz, wurden 457 Menschen getötet und 111 Wohnhäuser eliminiert. Geschätzt 40'000'000 Kubikmeter Geröll kamen vom Berg herunter. Tief beeindruckt verlassen wir den Simulator.


In einer Fragerunde erklärt uns Erich, warum der Rossberg damals abrutschte. Die geologische Erklärung sei hier simpel gehalten, aber grundsätzlich liegen zwischen den Schichten aus hartem Nagelfluh weiche Schichten aus Lehm. Man kann sich das wie eine Cremeschnitte vorstellen. Der lange andauernde Regen wusch den Lehm aus und dem Nagelfluh fehlte der Klebstoff, die Cremeschicht. Also rutschte der Nagelfluh ab und bewegte sich Richtung Dorf.


Die grosse Frage ist nun, wann rutscht der Berg wieder? Heute steht der Rossberg unter dauernder Beobachtung und wird regelmässig vermessen. 2005 gab es die letzte brenzlige Situation, als wieder längere Regenfälle vorkamen, Murgänge gingen ab. Doch die Dörfer und der Kanton Schwyz sind gut vorbereitet, mit Katastrophenplänen, geschulten Feuerwehren und einem Evakuationskonzept. Dadurch kam es seit 1806 nie wieder zu Todesfällen aufgrund des Rossberges.


Den Abschluss finden wir im Archiv des Museums, in dem weitere Objekte auf ihre Ausstellung warten. Beeindruckt vom umfassenden Wissen von Erich, bedanken wir uns für die lebendige und hochinteressante Führung.

Eindrücke aus dem Museum / Erich erklärt uns, wie stark das Dorf nach dem Bergsturz gewachsen ist


Den Abend beschliessen wir beim gemeinsamen Essen im Dorf. Der Tag und die Eindrücke werden diskutiert und ausgetauscht. Wie immer führen die Gespräche zu weiteren interessanten Themen, und wir könnten die halbe Nacht debattieren. Erneut ein erfolgreicher und spannender Anlass unseres Vereins.

  Wir danken unserem Mitglied Karin Stalder für die Organisation und die innerschweizerische Gastfreundschaft.

 

Teaser zum Bergsturz-Film: Goldauer Bergsturz - Teaser

Einen Einblick in die Geschichte der Rigi-Bahn bietet die Webseite der Bahn: Bahngeschichte | Rigi


(Bilder: Anita Oswald privat)

 
 
 

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